Quellen von Interferenzfehlern:

a) Silbenstruktur

Die deutsche Sprache verfügt über sehr komplexe Silbenbildungsmöglichkeiten. Im Silbenanlaut stehen oft bis zu drei Konsonanten (Strumpf, pflegst), im Auslaut können es oft bis zu vier sein (trinkst, bringst).

Solche Konsonantenhäufungen sind für Lernende schwer auszusprechen, deren Erstsprache über eine einfache Silbenstruktur verfügt: Arabisch, Türkisch, Chinesisch. In diesen Sprachen sind im Anlaut maximal ein, im Auslaut in seltenen Fällen zwei Konsonanten hintereinander erlaubt. Lernende mit einer dieser Erstsprachen übertragen diese Silbenstruktur auf das Deutsche und vereinfachen die Konsonantencluster durch Auslassen (Schank statt Schrank) oder lösen sie durch Einfügen von Sprossvokalen (Fereund statt Freund) auf. "_iraybin" und "_ipilin" für die Verben "schreiben" und "spielen" sind typische Verschriftlichungen von türkischen Kindern

Die Aussprache und Schreibweise dieser Konsonantenhäufungen muss besonders geübt werden. Zungenbrecher und Reime sind dabei hilfreich.

 

b) Knacklaut

In betonten Silben ist im Deutschen der Anlaut durch einen Konsonanten besetzt oder es wird ein Knacklaut (Glottal Stop) eingefügt (Apfel, Beamter).

Lernende, deren Erstsprache diesen Laut nicht enthält, haben oft Probleme damit, ihn zu realisieren.

Auch das glottal gebildete /h/ macht oft Schwierigkeiten, z. B. für Lernende mit den Erstsprachen Spanisch, Französisch, Italienisch, Russisch. Sie können diesen Laut kaum auditiv wahrnehmen, da es ihn in ihren Sprachen nicht gibt. Es kann vorkommen, dass diese Kinder überkompensieren und den Laut /h/ plötzlich auch bei vokalisch beginnenden Wörtern einfügen, wo er nicht hingehört.

Lehrkräfte müssen immer auf die korrekte Aussprache achten. Langsam und akzentuiert sprechen!

 

c) Vokallänge

Wie schon erwähnt, ist im Deutschen die Länge von Vokalen bedeutungsunterscheidend. Zudem klingen die Vokale in vielen Lang-Kurz-Paaren auch unterschiedlich (Lob - Loch; beten - betten; Ofen - offen).

Diese Längenunterschiede im Vokalismus weisen viele Sprachen nicht auf: Italienisch, Französisch, Spanisch, Polnisch, Türkisch, Russisch. DaZ-Lernende mit diesen Erstsprachen tendieren dazu, die deutschen Vokale den Vokalen ihrer Erstsprache anzugleichen und sie gleich lang auszusprechen (beleckte Brettchen statt belegte Brötchen).

Wenn die Erstsprachen keine Längenunterscheidung bei Vokalen aufweisen, gibt es freilich auch keine orthografische Markierung von Vokallänge in der Schriftform der Erstsprache. Entsprechend schwer fällt es diesen Schüler/innen, die deutschen Dehnungs- und Schärfungsregeln zu erlernen.

Es nützt wenig, zu sagen: "Du musst genau hinhören." Auch die Begriffe "kurz" und "lang" helfen kaum. Stattdessen könnte man z. B. die Wörter sprechen und dabei den Klang und die Mundstellung beobachten lassen.

 

d) gerundete Vorderzungenvokale (ö,ü)

ö und ü sind in vielen Sprachen nicht vorhanden. Lernende aus diesen Erstsprachen nehmen diese Laute als ungerundete Vorderzungenvokale (I- und E-Laute) oder als gerundete Hinterzungenvokale (U- und O-Laute) wahr. Dies zeigt sich sowohl in Aussprache als auch in der Orthografie (bose statt böse, mude statt müde).

 

ö und ü kommen auch im Türkischen, in den skandinavischen Sprachen, im Französischen, im Ungarischen und im Chinesischen vor. In den meisten Sprachen (Italienisch, Spanisch, Arabisch) und in den slawischen Sprachen (Polnisch, Ukrainisch, Russisch usw.) gibt es aber keine gerundeten Vorderzungenvokale. DaZ-Lernende mit diesen Erstsprachen brauchen daher ein besonderes Training in diesem Bereich.

 

e) Weniger Phonemkontraste

Im Vokalbereich unterscheidet die deutsche Sprache 16 Laute mit bedeutungsunter-scheidender Funktion. Wo im Deutschen mehr Laute unterschieden werden als in den Erstsprachen der Schüler/innen, kommt es zu Wahrnehmungsproblemen, die zu Aussprache- und orthografischen Fehlern führen können. 

Arabisch hat z. B. nur drei unterschiedliche Vokalqualitäten: /i - u - a/. Entsprechend haben arabisch sprechende Schüler/innen Schwierigkeiten, I- und E-Laute voneinander zu unterscheiden, genauso wie U- und O-Laute. Dies wirkt sich orthografisch z. B. so aus: Isel statt Esel oder dese statt diese

 

Auch bei Konsonanten können fehlende Kontraste in der Erstsprache zu Wahrnehmungsproblemen beim DaZ-Erwerb führen. Der Tipp "Schreibe wie du sprichst" ist also für DaZ-Lernende noch weniger hilfreich als für erstsprachlich deutsche Lernende.

 

f) Silben und Rhythmus

Jede Sprache zeichnet sich durch eine ihr eigene Betonung (Prosodie) und einen eigenen Rhythmus aus, es sind bedeutungstragende Elemente. Babys nehmen zuerst die prosodischen Elemente der Sprache wahr. In der deutschen Sprache werden die meisten Wörter auf der ersten Silbe betont. In anderen Sprachen gibt es andere Betonungsmuster. Falsche Betonung macht das Sprachverständnis schwer bis unmöglich.

  • Die Schüler:innen viel und betont sprechen lassen
  • Chor- und rhythmisches Sprechen
  • Kinderlieder und Reime
  • Singen und rhythmische Übungen und Sprachspiele
  • Raps eignen sich gut, um den Sprachrhythmus und prosodische Elemente implizit zu üben.

 

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