Handlungen mit Sprache begleiten - Sprache mit Handlungen begleiten

Nicht nur das Unterrichtsgeschehen im engen Sinn, sondern alle Situationen im Schulalltag dienen dem Spracherwerb und sollten genutzt und sprachlich begleitet, die Kinder in einen Dialog eingebunden werden. Dadurch sind sie in ständiger sprachlicher Auseinandersetzung, bekommen einen reichen Input und üben. Wichtig dabei ist die Formulierung und Anwendung von kurzen und vollständigen Sätzen.

  • Handlungen der Kinder sprachlich begleiten ("Du malst", "Du schneidest diese Blume aus" usw.)
  • W-Fragen stellen
  • eigene Handlungen sprachlich begleiten (Lehrperson erläutert und begründet häufig, was sie tut, die Kinder reden im Dialog allmählich mit: "Ich nehme jetzt die Nadel - und dann nehme ich den Faden ..." *
  • sprachliche Inhalte immer mit Handlungen, Sinneseindrücken verbinden

* Im Sprechen kann gleichzeitig verdeckter strukturierter Input gegeben werde: mit der Nadel, weil die Nadel spitz ist. (-> siehe "Verdeckter strukturierter Input" unten).

 

Expansion (Erweiterung)

DaZ-Schüler:innen mit wenig oder keinen Deutschkenntnissen verwenden zunächst Kurzäußerungen, z.B.: "In Wiese - Kinder - spiel". Diese Äußerung wird dann von der Lehrperson erweitert: "Ja, auf der Wiese spielen die Kinder." Auf diese Weise wird der kindliche Zweitspracherwerb ausgebaut.

 

Versteckter strukturierter Input

Während des Unterrichtsgeschehens betont die Lehrperson bestimmte Sprachformen, die erworben werden sollen, und reduziert dabei das Sprechtempo, z.B.: "Eine Frau mit einer Tasche" oder "Ein Mann mit einem kleinen Hund". Damit werden die zu erlernenden Sprachstrukturen fast unmerklich (verdeckt) hervorgehoben und können so eingeprägt werden. Durch Wiederholungen mit verdecktem strukturiertem Input werden mit der Zeit die Sprachmuster gefestigt.

Die Methode ist wirksam, weil sie bei den Kindern über das Gehörte Muster einprägt.

 

Lernen mit allen Sinnen

Um den Sprach- und Wissenserwerb optimal zu fördern, müssen alle Sinnesorgane genützt werden. Dazu eignen sich Methoden, die Zugänge  über unterschiedliche Sinneskanäle ermöglichen:

  • Handpuppen: Der Einsatz von Hand- und Fingerpuppen nimmt schüchternen, unsicheren Kindern die Scheu vor dem Sprechen. Durch kurze Dialoge können die angebotenen sprachlichen Muster eingeübt und gefestigt werden.
  • Theater spielen: Kleine Theaterstücke bieten ein authentisches Übungsfeld, v. a., wenn eine Aufführung geplant ist. Ängstliche, unsichere Schüler:innen bekommen durch die vorgegebenen Sprachmuster eine Orientierung, andere werden zum kreativen Umgang angeregt.
  • Bilderbücher, Verse, Lieder: Reim, Sprachrhythmus und Melodie sind Stützelemente für das Behalten von Wörtern, Wortgruppen und Satzstrukturen. Zudem ist die Nachahmung sprachlicher Muster eine Möglichkeit, mit Sprachanfänger:innen korrekte Formen einzuüben. Verse und Reime sind auch eine Unterstützung beim Erwerb schwieriger Laute.

Vorlesen in Kleingruppen

Der enge Kontakt (geringer Abstand, Blickkontakt) ist wichtig, damit sich alle Kinder angesprochen fühlen.

Langsam und teilweise verdeckt strukturiert vorlesen.

 

Literale Erfahrungen ermöglichen

Kinder aus tendenziell bildungsfernen Schichten benötigen die Unterstützung der Schule bei der Lesesozialisation:, z. B. durch das Verwenden von litera-rischen Texten oder von  Sachtexten; zusammen mit den Kindern lesen, sie beim Verstehen unterstützen und den Wortschatz festigen.

 

Mehrsprachigkeit einbeziehen

Kinder mit anderen Erstsprachen müssen als Kinder mit zwei Sprachen ernst genommen werden, d. h., ihre allgemeinsprachliche Kompetenz darf nicht auf ihre Zweitsprache reduziert werden. Zudem trägt die Erstsprache in besonderem Maße zur Ausbildung der eigenen Identität bei. Die Persönlichkeitsentwicklung der Schüler:innen wird positiv beeinflusst, wenn diese mit ihren kulturellen und sprachlichen Besonderheiten akzeptiert und wertgeschätzt werden.

 

 

Fehler tolerieren

Der Zweitspracherwerbsprozess ist ein langfristiger neurokognitiver Prozess.  In diesem Prozess durchlaufen die Lernenden eine Abfolge von sich ständig verändernden sprachlichen Übergangssystemen (Lernersprachen), die dem Sprachsystem der Zielsprache immer ähnlicher werden. Auf dem Weg zur Sprachrichtigkeit sind "Fehler" nicht vermeidbar, sondern Zwischenstufen. Sie stellen keine Defizite dar, sondern sind Ausdruck sprachlicher Lernleistungen und unbedingt zuzulassen. Zudem liefern sie wertvolle Hinweise in Bezug auf den jeweiligen Sprachstand und ermöglichen, individuelle Förderansätze zu finden.

 

Umgang mit "Fehlern": Es hat sich sprachdidaktisch gezeigt, dass Lernende schneller vorankommen, wenn die Aufmerksamkeit auf den Inhalt des Gesagren gerichtet wird. In kommunikativ-handelnden Phasen sollte daher nur dann korrigierend eingegriffen werden, wenn Äußerungen unverständlich oder unklar sind. Mit anderen Worten: Beim freien Gespräch steht der Inhalt im Mittelpunkt und nicht die korrekte Form.

Werden jedoch im Unterricht explizit Sprachformen behandelt, sollten Fehler angezeigt und verbessert werden. DaZ-Lernende sollen ihre Normverstöße erkennen und bearbeiten. Bei Strukturübungen helfen häufige Wiederholungen (Chorsprechen, in kleinen Gruppen sprechen, flüstern usw.).

 

Mögliche Korrekturformen:

  • korrektives Feedback (fehlerhafte Äußerungen der Schüler:innen werden berichtigt wiederholt)
  • vereinbarte nonverbale Korrekturzeichen
  • Prompting (Zuflüstern der richtigen Äußerung)

 

Häufiges Wiederholen

Um Wörter, Wortgruppen und Satzmuster einzuüben und zu automatisieren, bedarf es vielfältiger Übungsformen. Hilfreich ist ein großes, festes Repertoire an Spiel- und Übungsformen (-> U-Materialien).

Einige Anregungen:

  • neues Wortmaterial mit bekannten Spielen trainieren
  • darauf achten, dass immer alle Kinder zu Wort kommen
  • der Reihe nach oder im Chor sprechen lassen
  • Reime, Gedichte und Lieder
  • interaktive Rollenspiele zur Übung kommunikativer Standardsituationen

 

Fragehaltung fördern

DaZ-Schüler:innen merken oft nicht, dass sie etwas nicht oder nur vage verstanden haben und geben sich daher mit Halb-Verstandenem zufrieden. Im DaZ-Unterricht sollte daher Wert darauf gelegt werden, die Schüler:innen zum Nachfragen anzuregen, Fragen formulieren zu lernen. Da dies eine zentrale Lernstrategie beim Zweitspracherwerb ist, muss es explizit geübt werden.

 

Selbstlerntechniken

Der DaZ-Unterricht muss den Schüler:innen Strategien vermitteln, mit deren Hilfe sie sich sprachliche Strukturen und Wortschatz aneignen können:

  • Hör- und Lesestrategien, z.B. das Ausgehen von Bekanntem, das Gewinnen eines Überblicks und das Aushalten von Verstehenslücken
  • Strategien der Textproduktion: Erkennen, dass die Textproduktion ein mehrstufiger Prozess ist und dass Planen und Überarbeiten von Texten zielführende Strategien sind.
  • Techniken zur Aneignung von Wörtern und grammatischen Strukturen: Kompetenter Umgang mit Wörterbüchern, Sachbüchern, Lexika, Lernkarteien, Lernspielen und Computerprogrammen
  • Techniken der Selbst- und Partnerkontrolle

 

Weitere Tipps:

  • Übungsreihen sollten im Regelfall in dieser Abfolge aufgebaut werden:  Hören - Verstehen - Sprechen - Lesen - Schreiben
  • Bewusstes Fortschreiten vom Einfachen zum Schwierigen
  • Klare, visuelle Hilfen
  • Ermutigung und Wertschätzung der Lernfortschritte
  • Einbeziehung rhythmisch-musikalischer Angebote
  • Verschiedene Lernmaterialien und Medien
  • Nachschlagen in ein- und zweisprachigen Wörterbüchern

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Verwendete Literatur:

RÖSCH, H.: Deutsch als Zweitsprache. Sprachförderung Grundlagen. Übungsideen. Kpiervorlagen. Westermann/Schroedel: Braunschweig 2003.

ENGIN, H. u.a.: Kinder lernen Deutsch als zweite Sprache. Prinzipien, Sequenzen, Planungsraster. Minimalgrammatik. Cornelsen: Berlin 2004.

HOFFMANN, R./WEIS, I.: Deutsch als Zweitsprache – alle Kinder lernen Deutsch. Sprachenlernen in mehrsprachigen Lerngruppen. Praxisorientierte Ansätze der Sprachförderung. Für alle Jahrgangsstufen. Cornelsen: Berlin 2011.

OOMEN-WELKE, I.: Deutsch als Zweitsprache. Erste Schritte. Grundsätze der Spracharbeit im Vorkurs. Jahrestagung für Lehrpersonen DaZ am 3. Mai 2012. Klagenfurt 2012.

http://geohrg.jimdo.com/veranstaltungen/jahrestagung/mai-2012/

KALKAVAN-AYDIN, Z. (Hrsg.): Deutsch als Zweitsprache. Didaktik für die Grundschule. Mit Textbeiträgen von Stefan Jeuk, Zeynep Kalkavan-Aydin, Ingelore Oomen-Welke.

Cornelsen: Berlin.