2. Interferenzen aus der Orthografie der Erstsprachen

Wenn die Schüler:innen in der Erstsprache bereits alphabetisiert wurden, kommt es - neben den Übertragungen aus deren phonologischen System - auch zu Interferenzen aus dem Schriftsystem.

Oft findet sich z. B. ein Transfer von Schriftsymbolen, die im erstsprachlichen System für den gleichen oder ähnlichen Laut wie im Deutschen stehen, z. B. Türkisch <Ş> für Deutsch <sch>. 

Solche Übertragungen kommen bei einer Erstsprache mit einem Schriftsystem, das nicht auf Phonem-Graphem-Zuordnungen basiert , nicht vor, z. B. bei einem logographischen System wie Chinesisch.

 

Diese Interferenzen aus dem Schriftsystem der Erstsprache führen oft zu Rechtschreibfehlern:

 

 a) Alphabetschrift vs. Konsonantenschrift

In der deutschen Sprache (Alphabetschrift) werden Konsonanten als auch Vokale geschrieben. Manche Sprachen, vor allem aus der semitischen Sprachfamilie, schreiben Vokale normalerweise nicht. Schüler/innen aus diesen Erstsprachen neigen dazu,  auch im Deutschen die Vokale auszulassen (zurck statt zurück).

 

b) Phonem-Graphem-Korrespondenz

In der deutschen Sprache gibt es häufig keine 1:1 Entsprechung zwischen Laut und Buchstabe. Denn ein Buchstabe kann für verschiedene Laute stehen (z. B. die verschiedenen E-Laute in lebt, nett, gesund, Mutter). Umgekehrt kann ein Laut durch verschiedene Buchstaben und Buchstabenkombinationen geschrieben werden, z. B. <t> in Tag, Thomas, Stadt, satt, Hund. Zudem kann ein Laut durch ein mehrteiliges Graphem wiedergegeben werden: /ʃ/ = <sch> und ein Buchstabe für eine Lautkombination stehen: <x> = ks.

Wenn nun die Erstsprache der Schüler/innen eine Orthografie hat, in der eine 1:1 Entsprechung zwischen Laut und Buchstabe vorhanden ist (z. B. Türkisch), übertragen viele Schüler/innen diese Konvention auf die deutsche Orthografie. Dies führt oft zu Vereinheitlichungen: Tomas, Stat, sat, Hunt.

Oft sind Buchstaben der Herkunftssprachen andere Laute zugeordnet, die dann ins Deutsche übertragen werden. Der Buchstabe <z> steht in vielen Sprachen ( z. B. Englisch, Türkisch) für stimmhaftes s (wie in Sonne), was zur Schreibung von Zonne führen kann. Umgekehrt wird oft der deutsche Lautwert von <z>, also /ts/ von diesen Schüler/innen als/ts/ in der Schrift dargestellt (tso statt Zoo.)

 

c) andere Schreibrichtung

 Wenn die Erstsprache von rechts nach links geschrieben wird (z. B. Arabisch, Persisch), wirkt sich das oft im deutschen Schriftbild aus. So werden z. B. Buchstaben spiegelverkehrt geschrieben oder einige Buchstaben in ihrer Reihenfolge vertauscht.

 

 

Schriftinterferenzen und phonologische Interferenzen treten in Lernertexten gleichzeitig auf, zusätzlich zu den Orthografiefehlern, die sich aus dem Schriftspracherwerb ergeben.

 

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